Exkursion nach Genf 2022

Im Juli 2022 reisten wir mit einer Gruppe von acht Studierenden und in Betreuung durch Dr. Javier Lastra-Bravo nach Genf, um an der Konferenz in den Räumen der Vereinten Nationen (UN) zu Indigenen Rechten, dem Expert Mechanism on the Rights of Indigenous Peoples (EMRIP) teilzunehmen. In Vorbereitung auf die Exkursion fanden Blockseminare statt, in denen wir uns einerseits mit der Organisationsstruktur der UN und andererseits mit den individuellen und kollektiven Rechten indigener Bevölkerungsgruppen, mit Fokus auf der süd- und mittelamerikanischen Region, auseinandersetzten.

Der EMRIP fand in diesem Jahr vom 04.-08. Juli zum fünfzehnten Mal statt. Bei dieser fünftägigen Konferenz kommen Vertreter:innen indigener Bevölkerungsgruppen, von Staaten, der Wissenschaft sowie Organisationen von pueblos indígenas  und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen, um die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen im Sinne der United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples (UNDRIP) zu diskutieren1. Dabei geht es einerseits darum, den UN-Menschenrechtsrat mit Fachwissen und Ratschlägen zu den Rechten von pueblos indígenas zu versorgen, indem indigene Delegierte eine Plattform zur Artikulation bekommen; andererseits werden Mitgliedsstaaten der UN hinsichtlich der Verwirklichung der UNDRIP sowie der ILO-Konvention 169 für konkrete Maßnahmen wie Gesetzen, Politiken und Programmen beraten und unterstützt2.

Wir Studierende trugen auf unserem Ausweis während der Konferenz ein A, für Academics. In dem imposanten Konferenzsaal, in dem die Plenarsitzungen stattfanden, hatten wir freie Platzwahl. Je nach Tageszeit und Diskussionsthema war dieser meist halb gefüllt. Aufgrund der pandemischen Situation fanden die Side-Events ausschließlich online statt, weshalb wir uns meist im Plenarsaal aufhielten. Eine besondere Dynamik lösten die Gruppenzugehörigkeiten der verschiedenen Akteur*innen aus: Es zeigte sich eine deutliche Spaltung der indigenen Delegierten von den anderen Vertreter*innen, während besonders die staatlichen Vertreter*innen, die einzigen Personen im Raum, die eine schriftliche Bezeichnung am Platz hatten, eher isoliert auftraten. Insgesamt war es erschreckend zu sehen, dass einige Länder und Gruppen deutlich überrepräsentiert waren, während andere gar nicht vertreten waren.  

Die Bandbreite an Themen war endlos und zugleich war es erschreckend, dass sich viele Herausforderungen und Probleme in den unterschiedlichen soziokulturellen Regionen indigener Gruppen überschnitten. Ebenso wurden auch die Rechte bis hin zur Existenz indigener Gruppen überregional dementiert. Ein omnipräsentes Thema war außerdem der russische Angriffskrieg, der zunächst von einer indigenen Delegierten aus der Region Sibiriens verurteilt wurde und dann in verschiedenen Themen wieder aufgegriffen wurde.

Neben diesen Erfahrungen während der Plenarsitzungen nutzten wir als Gruppe die 1 ½ stündigen Mittagspausen, um mit verschiedensten Akteur*innen in Kontakt zu treten. Dr. Lastra Bravo organisierte ein Treffen mit Rodrigo Paillalef, der als Vertreter der Mapuche für Lateinamerika ab 2023 für das Ständige Forum für Indigene Fragen3 gewählt wurde. Einen weiteren Austausch organisierten wir mit der unabhängigen NGO Docip, die maßgeblich für die Organisation des EMRIP verantwortlich ist und daher eine wichtige Rolle einnimmt; als Ansprechpersonen für indigene Delegierte aber auch als Brücke zwischen der UN und den indigenen Gruppen.

Die Partizipation am EMRIP war eine ganz besondere und einmalige Erfahrung, indigene Delegierte selbst über ihre Rechte sprechen zu hören und live mitzubekommen, wie dadurch die Rechtsgrundlage und die Legitimität dieser spezifischen Rechte gegenüber den staatlichen Vertreter*innen und den transnationalen Institutionen verbessert und manifestiert werden. Zugleich hat diese Erfahrung viele Fragen in mir hinsichtlich meiner eigenen Position ausgelöst und sehr deutlich gezeigt, in was für einer ungleichen Welt wir leben und welche Folgen der Kolonialismus und die kapitalistischen Ausprägungen der Globalisierung haben, dass tatsächlich über basale Grundrechte für marginalisierte Gesellschaftsgruppen diskutiert werden muss. Auch wenn wir in dieser Konferenz nur zuschauende Personen waren, kann ich für mich sprechen, dass mich diese Erfahrung maßgeblich geprägt hat.

Lilith Jarlik

Studentin | M.A. Atlantic Studies |M.A. of Education: Spanisch und Politikwissenschaft/Wirtschaft


1United Nations (2007): Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, Resolution/61/295,13 New York: online unter: https://www.un.org/development/desa/indigenouspeoples/declaration-on-the-rights-of-indigenous-people.html (14.07.2022)

2United Nations (2022): Expert Mechanism on the Rights of Indigenous Peoples, online unter: https://www.ohchr.org/en/hrc-subsidiaries/expert-mechanism-on-indigenous-peoples (11.07.2022).

3United Nations (2022): Foro Permanente para las Cuestiones Indígenas de la ONU (UNPFII), online unter: https://www.un.org/development/desa/indigenous-peoples-es/sesiones-del-foro-permanente.htm (11.07.2022).